Es gibt viele Fragen und Befürchtungen, es gibt zustimmende Stimmen und ablehnende Meinungen.
Wir Naturschutzvereine aus dem Kreis Soest und dem Hochsauerlandkreis begrüßen die Idee eines Nationalparks. Das Wichtigste ist jetzt jedoch, dass wir - Politik, Interessenverbände, Befürworter und Kritiker – uns die Zeit nehmen, uns und die Öffentlichkeit gut zu informieren, miteinander zu diskutieren und uns auf dieser Grundlage eine Meinung zu bilden. Dabei können wir uns stützen auf viele Erkenntnisse und Erfahrungen mit bestehenden Nationalparken, in NRW insbesondere mit dem Nationalpark Eifel, der seit nunmehr 20 Jahren besteht.
Wir sollten das Angebot des Landes annehmen, uns bei der Meinungsbildung organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Dafür haben wir in dem von der Landesregierung initiierten Findungsprozess bis zum 31. März 2024 Zeit. Näheres dazu siehe www.nationalpark.nrw.de.
Wir Naturschutzvereine haben in den letzten Wochen viele Gespräche geführt mit Politik, Industrie- und Handelskammer, Behörden, Vereinen und Fachleuten aus Forstwirtschaft und Naturschutz. Zu einigen Fragen und Befürchtungen, die in den letzten Wochen geäußert wurden, sind dies unsere derzeitigen Erkenntnisse und Einschätzungen:
Würde sich ein Nationalpark Arnsberger Wald auf die von der Landesregierung angebotene, zusammenhängende Staatswaldfläche beschränken?
Ja! Angrenzende Flächen in privatem oder kommunalem Eigentum können nur einbezogen werden, wenn die Eigentümer dem zustimmen.
Tritt mit der Ausweisung eines Nationalparkes sofort ein Veränderungsverbot in Kraft?
Nein! Der heutige Zustand der Staatswaldfläche ist wie der aller umgebenden Wälder Ergebnis einer Jahrhunderte alten Nutzungsgeschichte, die die Wälder, die sonstigen Lebensräume und den Wasserhaushalt in vielerlei Hinsicht maßgeblich geprägt und verändert hat. Zudem haben in den letzten Jahren Sturmereignisse und insbesondere das dürrebedingte Absterben der Fichtenbestände auf großer Fläche neue Bedingungen geschaffen. Der Übergang vom heutigen Zustand zu einem Zustand, auf dem man dauerhaft auf mindestens 75% der Fläche Natur Natur sein lassen würde, wird laut Expertenmeinung ca. 20 bis 30 Jahre dauern. In diesem Zeitraum würden zahlreiche waldbauliche und den Wasserhaushalt betreffende Maßnahmen ergriffen, um einen guten Ausgangszustand für einen dauerhaften forstwirtschaftlichen Nutzungsverzicht auf dem Weg zum vollwertigen Nationalpark zu schaffen. Dies betrifft insbesondere auch die sog. Kalamitätsflächen. Man spricht deshalb – wie beim Nationalpark Eifel – von einem „Entwicklungsnationalpark“.
Welche Vorteile hätte ein Nationalpark für die Natur?
Nutzungsverzicht – „Natur Natur sein lassen“ – bedeutet, dass Bäume und ganze Waldbestände altern und sterben dürfen. Diese Altersphasen, die im Wirtschaftswald allenfalls vereinzelt und kleinflächig vorkommen, sind die artenreichsten. Zahlreiche Insekten-, Moos- und Pilzarten sind auf diese Phasen angewiesen, und je großflächiger solche Stadien sich ausbilden können, desto stabiler und überlebensfähiger sind die Populationen dieser oft sehr seltenen oder gar vom Aussterben bedrohten Arten. Profitieren würden auch zahlreiche Vogelarten, die alte und abgestorbene Bäume als Nistplatz und zur Nahrungssuche nutzen. „Natur Natur sein lassen“ bedeutet auch, dass sich mit der Zeit sehr vielgestaltige Waldbilder entwickeln, die in der Summe einer großen Artenvielfalt Lebensraum bieten. Die heute im Arnsberger Wald lebenden Waldarten würden profitieren, sie verlieren ihren Lebensraum nicht. Vermutlich würden weitere Arten hinzukommen. Im Nationalpark Eifel z.B. wurden bis heute 11.000 Arten nachgewiesen. Nutzungsverzicht bedeutet auch, dass unvermeidliche Beeinträchtigungen durch waldbauliche Maßnahmen – z.B. Bodenverdichtung auf Rückegassen, Erosionsrinnen durch das Befahren für den Holztransport – dauerhaft vermieden würden.
Welche Einschränkungen kämen auf die Besucher des Waldes zu?
Die eventuelle Nationalparkfläche ist bereits seit langem als Naturschutzgebiet ausgewiesen, ganz überwiegend auch als europäisches Naturschutzgebiet (FFH-Gebiet). Schon seit vielen Jahren gilt dadurch für Erholungsuchende zum Schutz der Natur ein Wegegebot. Mit der Einrichtung eines Nationalparks würde man sich Gedanken machen, ob das bestehende Wegenetz an der ein oder anderen Stelle verändert werden sollte – zum Schutz der Natur, aber auch um Erholungsuchenden interessante Wege zu bieten. Die Wanderinfrastruktur – Informationstafeln, Schutzhütten, etc. – würde verbessert.
Würden die Bejagung und die Regulierung von Wildbeständen eingestellt?
Nein! Die Bestände würden auch künftig reguliert, soweit dies notwendig ist, um Schäden innerhalb und außerhalb des Nationalparks zu begrenzen. Über die Art des Wildmanagements würde diskutiert und schließlich ein Wildtiermanagementplan aufgestellt.
Hat die Region ein Mitspracherecht bei der Ausgestaltung des Nationalparks?
Ja! In der Eifel wurde ein kommunaler Nationalparkausschuss eingerichtet, der in allen Grundsatzfragen beteiligt wird und ein Vetorecht hat. Alle ordnungsbehördlichen Zuständigkeiten bleiben erhalten.
Bestünde die Gefahr, dass Borkenkäferkalamitäten oder ähnliche Schadereignisse auf benachbarte private oder kommunale Wälder übergreifen könnten?
Entlang der Außengrenzen würde innerhalb der Nationalparkfläche eine Pufferzone eingerichtet, in der waldbauliche Maßnahmen zum Schutz der Waldflächen außerhalb des Nationalparks ergriffen werden können.
Ist Umweltbildung ein Auftrag, den Nationalparke erfüllen sollen?
Ja, ein ganz wichtiger! Jeder Nationalpark hat diesen Auftrag. Informationszentren, Exkursionsangebote, Veranstaltungen und Informationsangebote an ausgewählten Stellen des Netzes von Wanderwegen gehören zur Infrastruktur und zu den Angeboten eines Nationalparks.
Hierfür stehen jetzt schon das LIZ am Möhnesee, das Jugendwaldheim und das forstliche Bildungszentrum in Arnsberg zur Verfügung. Auch private Einrichtungen der Umweltbildung können profitieren.
Wie werden die forstwirtschaftlichen Auswirkungen eingeschätzt?
Ungefähr die Hälfte der eventuellen Nationalparkfläche war mit Fichten bestanden, die der Dürre zum Opfer gefallen sind. Ein kleinerer Teil der Laubholzbestände ist bereits als Wildnisgebiet oder als Naturwaldzelle aus der Nutzung genommen, die übrigen Laubholzbestände stünden künftig dem Holzmarkt nicht mehr zur Verfügung. Die Auswirkungen auf den Holzmarkt werden insgesamt als gering eingeschätzt.
Welche regionalwirtschaftlichen Effekte hätte ein Nationalpark?
Der Nationalpark Eifel zeigt wie viele anderer Nationalparke, dass Nationalparkregionen wirtschaftlich sehr profitieren, insbesondere Gastronomie und Hotellerie. Eine sozioökonomische Studie zum Nationalpark Eifel kommt zu dem Ergebnis, dass durch den Nationalpark Jahresumsätze von 30 Millionen € generiert und ca. 700 Vollzeitarbeitsplätze geschaffen wurden.
Ein Nationalpark „Arnsberger Wald“ wäre auch eine Marke, die die Attraktivität der Region steigert. Viele, insbesondere auch junge Menschen fragen bei der Wahl eines Arbeitsplatzes und ihres künftigen Wohnortes auch nach weichen Standortfaktoren. Ein Nationalpark ist für viele ein attraktives Angebot.
Hätte ein Nationalpark negative Auswirkungen auf den Ausbau der regenerativen Energie?
Nein! Die infrage kommende Nationalparkfläche steht schon heute für Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energie nicht zur Verfügung. Daran wird die Ausweisung als Nationalpark nichts ändern. Die Flächenbeiträge, die Südwestfalen für den Ausbau der regenerativen Energie leisten muss, können ohne Inanspruchnahme von Naturschutzgebieten, FFH- und Vogelschutzgebieten erfüllt werden.
Wird in einem Nationalpark auch geforscht?
Wie die Umweltbildung ist auch die Forschung eine wichtige Aufgabe eines Nationalparks. In der aktuellen und künftigen Situation eines fortschreitenden Klimawandels, verbunden mit vielen Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung der Wälder und der Tier- und Pflanzenwelt ist Forschung besonders wichtig. Ein Nationalpark bietet hierfür sehr gute Bedingungen. Die Forschungsaktivitäten eines Nationalparks wären eine gute Ergänzung zu bereits in der Region bestehenden forstlichen Einrichtungen wie das „Zentrum für Wald und Holzwirtschaft“ in Arnsberg und das Zentrum HOLZ in Olsberg.
Ist zu befürchten, dass ein Nationalpark und sein Umfeld durch zu viele Touristen überlastet würden?
Dies ist eine berechtigte Frage, weil schon heute das Umfeld des Möhnesees an Wochenenden starkem Verkehr ausgesetzt ist. Allerdings zeigt sich auch heute, dass sich die meisten Besucher am Möhnesee aufhalten und selbst an Wochenenden die Wanderwege im Staatswaldgebiet eher nicht überlastet sind. Aber natürlich gehörte zu einem Nationalpark auch ein sorgfältig ausgearbeitetes, mit den Kommunen und den Bürgern diskutiertes touristisches Konzept mit passenden Infrastrukturangeboten.